Die Bibel ist nicht Gottes Wort

Es ist eine Wunschvorstellung, dass Gott ein Buch herausgegeben hat, für das er die Verantwortung übernimmt und das er mit seiner Macht beschützt. Aber würde er nicht gerade darin eine Schwäche zeigen, die nicht zu seiner Vollkommenheit passt? Würde er damit nicht indirekt sagen, dass er aufgehört hat zu reden und aktiv in das Leben seiner Geschöpfe einzugreifen? Wird die Vollkommenheit Gottes nicht schon zerstört, wenn die Unvollkommenheit unserer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit ihn erfassen will? Aber solche Fragen will ich nicht philosophisch beantworten, sondern aus der Bibel selbst belegen, dass sein Wort kein Buch ist, sondern ein Ausdruck seines Willens, der die Kraft hat, Situationen zu ändern. Gottes Wort ist nicht die Bibel!

Auf einer externen Internetseite habe ich das Problem Paulus beschrieben, das dem gleichen Themenfeld zugehört. Paulus ist nicht das Werkzeug Gottes, um ein „ewiges“ Wort in eine Schriftform zu bringen, sondern er wurde wie viele andere Menschen zu einem Dienst berufen, der andere zum Leben führte. Wäre die „Schrift“, die Gott den Menschen irgendwann in ihrer Geschichte mitgeteilt hat, notwendig, ihn zu erkennen, wozu sind dann Werke gegeben, die Gott den Menschen bereitet hat, die an ihn glauben (Eph.2,10)? Wenn die „Schrift“ zum Leben führt, warum wurde das Wort „Fleisch“ (Joh.1,14)? Warum ist kein Buch vom Himmel gefallen? Paulus war ein kleiner Mensch, dem auch Fehler zugestanden werden dürfen, aber wenn seine Briefe „Wort Gottes“ sind, werden seine Fehler durch die Vollkommenheit Gottes für unmöglich erklärt.

Der Gedanke des „Textus Receptus“, wie er von heutigen Fundamentalisten vorgetragen wird, ist der gleiche Versuch, die Vorstellung von Gott „handlich“ zu machen. Der Inspirationsgedanke erfährt sogar eine Steigerung. Nur widerspricht dieser malerischen Vorstellung vom Textus Receptus schon die geschichtliche Wahrheit.


(Die beiden folgenden Bilder entstammen dem „Codex Reuchlinianus“, einer Handschrift, die die Propheten nach dem jüdischen Verständnis enthält. Die „Vorderen Propheten“ umfassen Josua, Richter, Samuel und die Königsbücher, während die „Hinteren Propheten“ durch Jesaja, Jeremia, Hesekiel und die 12 Kleinen Propheten gebildet werden. Auf dem 1.Foto ist der Codex in einer Gesamtansicht zu sehen, auf dem 2.Foto ein kleiner Ausschnitt vom Beginn des Richter Buches. Die Fotos sind nur ein Lückenfüller, sie dienen nicht dem Thema „Wahrheit" )