Textus Receptus - Einführung

Die Situationen im Alten und Neuen Testament sind völlig verschieden.

Nur eine kleine Einführung gebe ich an dieser Stelle, da dem „Textus Receptus“ eine eigene Seite gewidmet ist.       Dort findet sich auch die Rezension zu einem Heft, das die Überlegenheit des „Textus Receptus“ behauptet.

 

Altes Testament

Im Alten Testament könnte man tatsächlich von einem „Textus Receptus“ sprechen, obwohl die lateinische Phrase dafür nicht gedacht war! Denn das Judentum, dem die Überlieferung der hebräischen Bibel bis in das Mittelalter völlig überlassen wurde, hat verdorbene und unbrauchbar gewordene Handschriften rituell „beerdigt“. Allmählich hat eine bestimmte Textform sich durchgesetzt und die anderen verdrängt. Die ältesten erhaltenen vollständigen Handschriften datieren in die Zeit nach 1000.

Bücher früherer Handschriften sind fast nur aus Qumran bekannt. Mit „Buch“ ist auch nicht ein vollständiges Altes Testament gemeint, sondern eine einzelne seiner Schriften. Fast vollständig erhalten ist die große Rolle des Propheten Jesaja aus Höhle 1. Einige größere Teile von Handschriften sind noch von den 5 Büchern des Mose auf uns gekommen, die im Judentum als „Tora“ eine besondere Bedeutung haben. Aber insgesamt lässt sich aus den Fragmenten von Qumran keine vollständige hebräische Bibel erstellen. Es lässt sich nur belegen, dass es auch noch andere Textformen gab neben denen, die im Mittelalter die anderen verdrängten. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Handschriften aus dem Mittelalter sind sehr klein, denn die „Masoreten“ (die jüdischen „Überlieferer“) begannen sogar, die Buchstaben abzuzählen. Es ist darüber hinaus – etwas bösartig gesagt – ebenso „kritisch“, die Drucke nach der mittelalterlichen Ausgabe des Ben Chayyim zu benutzen als die Ausgabe der modernen Biblia Hebraica Stuttgartensia, die bis in das winzigste Detail hinein den Codex Leningradensis aus dem Jahr 1008 nachdruckt. Die vielen Anmerkungen sind eigentlich nur lästig, weil ein Zitat aus einer anderen alten Sprache im Grundsatz immer dem hebräischen Ausgangstext unterlegen ist, der Vergleich mit anderen Handschriften zu grob ist (was sagt es beispielsweise aus, dass wenige Handschriften eine andere Lesart vertreten) und die „Verbesserungsvorschläge“ moderner Autoren eigentlich deren Problem sind!

 

Neues Testament

Kurioserweise ist niemand im Mittelalter auf die Idee gekommen, den überlieferten Text der hebräische Bibel „Textus Receptus“ zu nennen. Das ist erst die Erfindung moderner Fundamentalisten, die sich von geschichtlichen Realitäten nicht stören lassen. Denn „Textus Receptus“ („angenommener Text“) war die Werbung eines Verlegers 100 Jahre nach Luther für sein griechisches Neues Testament, das der Erstausgabe des Humanisten Erasmus von Rotterdam folgte. In seiner überstürzten Aussage folgte Erasmus Handschriften des byzantinischen Reichstextes, denn durch die Förderung vom Kaiserhaus in Konstantinopel waren die anderen Textfamilien verdrängt worden. Es stimmte schon damals nicht, dass der Text des Erasmus unverändert übernommen worden war, denn in den 100 Jahren waren die schlechtesten Stellen verbessert worden.

Da Christen ihre Handschriften nicht „beerdigten“, sind noch frühe Handschriften in einem recht guten Zustand erhalten. Sogar einige wenige Papyri (Chester Beatty, Bodmer) wurden gefunden, die größere Teile einzelner Schriften abdecken. Statt den respektlosen Umgang der Christen mit der griechischen Bibel (ein Mönch hatte sich Schuhe aus dem Leder einer Handschrift angefertigt!) positiv zu nutzen, um zu dem Ausgangstext zu gelangen, möchten moderne Fundamentalisten lieber auf dem Niveau des Mittelalters stehenbleiben und diffamieren sogar Textforscher. Sie erfinden einen „reformatorischen Grundtext“ und konservieren die Fehler der Übersetzung nach Luther 1912. Es ist sicherlich vieles falsch, was das Computerzeitalter gebracht hat. Aber ich möchte doch lieber in einem Auto eine lange Strecke fahren, als mich mit dem Fahrrad abzustrampeln. Im Mittelalter gab es jedoch noch nicht einmal Fahrräder! Als Grundlage für die Übersetzung ist der ursprünglichste Text, der sich ermitteln lässt, angemessen. Der schlechte Text des „Textus Receptus“ darf gerne im Mittelalter bleiben.